Fragner, Josef
Menschen 2022/1
Körperdialog
Zeitschrift für gemeinsames Leben, Lernen und Arbeiten -
88 S.
04/ 1 Corona
07/ 2 Wege eines Humanismus in der Medizin
12/ 3 Liebe und Fürsorge bis zuletzt
14/ 4 "Für die, die sich im Wal befinden: Wir brauchen eine neue Aufklärung"
16/ 5 Was man von uns nicht wissen will
18/ 6 Ein klares Ja zu Eltern mit Behinderung
20/ 7 Vom Zwiespalt der Sorge
21/ 8 Begleitete Elternschaft
25/ 9 Für Sorge
33/ 10 Ethik der Sorge: Verantwortung, Anerkennung, Gerechtigkeit im Zeichen radikaler Andesrheit
41/11 Am Leitfaden der Vulnerabilität
53/ 12 Die Kunst, sich helfen zu lassen, und was das mit Würde zu tun hat
59/ 13 inklusionINSIGHTS - Preisgekrönte Inklusionsschulen in London öffnen ihre Türen
61/ 14 Selbstfürsorge als Unterstützung der Kontaktfähigkeit in der Assistenztätigkeit
Corona, Ethik und Public Health
88/ 15 Impressum und Offenlegung
Sorge und Verantwortung
"Game Changer" nennt der Künstler Banksy sein Werk, das er der Uniklinik Southampton zustellen ließ und das im März 2021 für fast 20 Millionen Euro versteigert wurde. Darin spielt ein kniender Junge nicht mehr mit Spiderman - und Batman-Figuren - die hat er im Papiekorb entsorgt-, sondern lässt eine Krankenhauspuppe mit Mund-Nasen-Schutz und einem Roten Kreuz auf der Brust durch die Luft fliegen.
Wird die nächste Generation, wenn der C-Spuk vorbei ist, mit einem anderen Wertesystem aufwachsen? Werden die zukünftigen Superhelden fürsorgliche Krankenschwestern sein, die sich kümmern und nicht gegenseitig bekämpfen? Eine schöne, aber wohl utopische Vorstellung. Care wird trotz aller Beteuerungen kaum eine politische Kraft entwickeln, sie wird wieter im Familienkreis, genauer, im Frauenkreis, angesiedelt sein.
Die schöne liberale Freiheit hat ihre Unschuld verloren und ist toxisch geworden - so eröffnet Thomas Assheuer das Heft. Die Freiheit der Rechten ist eine sozial-darwinistische Freiheit und löst mit gnadenloser Kälte das Problem der Solidarität mit der zynischen Feststellung: Irgendwann erwischt der Tod jeden.
Lazare Benaroyo sucht einen neuen Humanismus in der Medizin, in der die ethische Dimension der Einzel-begegnung die Schlüsselstelle ist. Die durch die Beherrschung der Technik erlangte Selbstsicherheit muss unbedingt in einem Raum ethischer Achtsamkeit verankert werden, die aus dem Blick ein Gespräch macht.
Wir brauchen eine neue Aufklärung, so der Appell von Tsitsi Dangarembga, in der das „Wir" und nicht das „Ich" die zentrale Stelle einnimmt.
Sophia Falkenstörfer, die dieses Heft angeregt und kuratiert hat, spricht von einer reflektierten Fürsorge.
Ziel dieser ermöglichenden Fürsorge ist das Wohlergehen des Menschen sowie dessen Freiheit.
Markus Dederich rahmt den normativen Gehalt einer verpflichtenden Sorge für den anderen Menschen in das Register der Anerkennung ein, die den konkreten Anderen im Fokus hat. Gerechtigkeit ist der Verantwortung notwendigerweise zur Seite zu stellen.
Auch Ursula Stinkes weist auf das Chiasma - also die Überkreuzung - von Ethik und Politik hin. Sorge für und Unterstützung von anderen Menschen sind keine rein ethische Privatangelegenheit, sondern auch eine politische Aufgabe.
Zu helfen kann schwierig sein, sich helfen zu lassen, noch schwieriger, so Ursula Immenschuh mit Blick auf die „unerhörte" Scham, die sich meist hinter Masken versteckt. „Scham ist die Hüterin der Würde."
Ninon Hensel und Fabian van Essen beleuchten die Assistenztätigkeit. Der Kontakt zu sich selbst wird als Voraussetzung für die Kontaktfähigkeit mit dem Anderen beschrieben.